«Wangental Natur Pur»

Ein Projekt auf gutem Weg

2-2002
Üsi Meinig

Aus einer oft unter Wasser stehenden ertragsarmen Wiese soll ein wertvolles Biotop werden. Zugleich wird die Hochwassersituation unterhalb des Gebietes etwas entschärft und die Bevölkerung erhält ein Naherholungsgebiet. Diese Ziele will der Verein «Wangental Natur Pur» mit seinem Projekt «Biotop und Hochwasserschutz im hinteren Wangental» im Schaffhauser Klettgau erreichen.


Am Anfang stand ein Bubentraum
Schon als Junge sei er auf dem durch das Hochwasser entstandenen See hinter dem Ernsteldamm im Wangental herumgepaddelt und habe mit grosser Freude Mäuse und Eidechsen vor dem Ertrinken gerettet. Sein Vater habe damals oft von einem See im Wangental gesprochen und die Idee habe ihn nie mehr ganz losgelassen. So beschreibt Adrian Stadelmann, der Präsident des Vereins Wangental Natur Pur, den Ursprung dieses Projektes. Nun soll dort ein ökologisch wertvolles Gebiet mit einem kleinen See entstehen. Das Gelände soll der Bevölkerung zugänglich gemacht werden und zugleich den Hochwasserschutz verbessern


Geschichten zur Geschichte
Das Wangental befindet sich zwischen Osterfingen und Jestetten, im Schaffhauser Klettgau. Es liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Osterfingen und zählt zu den schönsten und interessantesten Gebieten im Kanton. Gletscherzungen und Schmelzbache formten das Tal nach der Würmeiszeit. Die Römer bauten ein Bad und einen Gutshof, das Kloster Rheinau züchtete Karpfen und Adelsleute bauten die Burg Radegg. Die Bevölkerung bekämpfte das Hochwasser. Ingenieure planten eine Eisenbahnlinie und Politiker wollten eine Autobahn. Geblieben sind geheimnisvolle Burgrui-nen, ein Gasthof, ein Entwässerungstunnel und viele andere geschichtsträchtige Raritäten. Geblieben ist aber auch ein oft von Hochwasser heimgesuchtes Tal und ein nur extensiv nutzbares Stück Wiese hinter einem Damm.
Das Wangental wurde 1997 ins Bundesinventar der schützenswerten Landschaften und Natur-denkmäler von nationaler Bedeutung BLN aufgenommen.

Heute präsentiert sich das Tal als etwas vergessenes Wald und Wiesland. Eine Strasse mit grossem Pendlerverkehrsaufkommen führt von Osterfingen nach Jestetten. Auf deutscher Talseite ist ein Naturschutzgebiet ausgegrenzt und hinter dem Zoll, ebenfalls auf deutscher Seite befindet sich mit dem Wüsten See ein wichtiges Laichgebiet für Amphibien.

Der Bach im Damm
Bereits heute stellt das Gelände im hinteren Wangental, oberhalb des Ernsteldammes eine Art Pufferzone im Hochwasserfall dar. Nach starken Niederschlägen stehen die Wiesen oft tagelang unter Wasser. Sie können in diesem Bereich denn auch nur beschränkt genutzt werden und werfen lediglich einen bescheidenen Ertrag ab. Andererseits handelt es sich aber auch nicht um ein biologisch «wertvolles», das heisst von seltener Fauna und Flora belebtes Gebiet. Die Schaffung eines Ausgleichsbeckens und Biotops kann die Hochwassersituation im Wangental beträchtlich verbessern. Die Doppelfunktion trägt den Anforderungen an einen sicheren Hochwasserschutz, aber auch an eine zeitgemässe Lebensraumgestaltung Rechnung.

Das sind die Ziele
Der Verein «Wangental Natur Pur» verfolgt mit dem Projekt Biotop und Hochwasserschutz im Wangental verschiedene Ziele. Das hintere Wangental wird zu einem ökologisch wertvollen Lebensraum für Tiere und Pflanzen aufgewertet werden. Zugleich soll das vordere Wangental wirk-sam vor Überschwemmung geschützt werden. Die Bevölkerung erhält ein attraktives Naherholungsgebiet und Beobachtungsposten (Hides) sowie Informationstafeln fördern das Verständnis für die Vorgänge in der Natur und helfen Berührungsängste abbauen.

Einmal feucht, einmal trocken
Das Gelände oberhalb des Ernsteldammes wird in drei ökologisch wertvolle Lebensbereiche, Feucht , Schwemm und Trockenzone aufgeteilt. Die Feuchtzone soll über eine ständige Wasser-fläche verfügen. Vor allem im Frühling bei viel Niederschlag wird auch die zweite Zone, die Schwemmzone überflutet. Die dritte Zone liegt immer trocken, bis auf Perioden besonders starker Niederschläge. Sie dient als Rückhaltebecken im Hochwasserfall.
Die Aufteilung in drei Zonen bedingt verschiedene Erdarbeiten. So muss die Humusschicht entfernt, die Wasserzone ausgehoben und Schuttgut eingebracht werden. In Zonen eins und zwei ist keine Bepflanzung vorgesehen, sie gelten als Pionierzonen. In der Zone drei bleibt die bestehende Humusschicht erhalten.

Achtung Umleitung
Der Ernsteldamm sperrt den Talboden zwischen der Kantonsstrasse Nr. 71 im Norden und dem Grenzweg im Süden ab. Der Ernstelbach unterquert von den nördlichen Seitenhängen kommend die Kantonsstrasse und fliesst anschliessend auf einer Länge von ca. 40 Metern in der Dammkro-ne nach Süden, bevor er hinter den Damm geleitet wird und sich wenige Meter vor der Schleuse in den Seegraben ergiesst. Im Laufe der Zeit hat er sich immer tiefer in die Dammkrone eingegraben und so den Damm geschwächt.
Das Projekt sieht vor, ihn aus diesem Bereich zu entfernen und hinter den Damm an der ständigen Wasserfläche vorbei zur Schleuse zu leiten.

Besuch erwünscht
Da das neue Feuchtgebiet öffentlich zugänglich gemacht werden soll sind die Besucherströme zu kanalisieren. Über einen Steg gelangen die Besucher zu den Beobachtungshütten, aus welcher sie die Tierwelt beobachten können, ohne diese zu stören. Entlang des Steges geben Tafeln Informationen zu verschiedenen Pflanzen und Zonen des Feuchtgebietes.

Drunter und drüber
Die neue Anlage liegt neben einem gefährlichen Streckenabschnitt der Kantonsstrasse. Vom Deutschen Zoll führt die Strasse in einer unübersichtlichen Kurve am Standort vorbei. Im Moment werden zwei Varianten für den Zugang zum Gebiet geprüft. Die erste greift auf einen bestehenden Parkplatz zurück, der jedoch nördlich der Strasse liegt. Die Besucher müssten über eine Fussgängerbrücke ins Gelände geleitet werden. Die Alternative dazu ist ein neuer Parkplatz der wie das Biotop südlich der Strasse, an einer übersichtlicheren Stelle zu liegen kommen würde.

Die Öffentlichkeit ist dabei
Nachdem die ersten Abklärungen und Vorbereitungen zum Projekt im «stillen Kämmerlein» vonstatten gingen, wurden im letzten Sommer die Öffentlichkeit und die Medien über das Vorhaben informiert. Im Januar dieses Jahres wurde der Trägerverein «Wangental Natur Pur» gegründet. Das Echo in der Bevölkerung und den Medien war gross und durchwegs positiv. Wie gut das Projekt von der Bevölkerung aufgenommen worden ist zeigt, auch der Mitgliederbestand. Drei Monate nach der Gründung können bereits über 60 Mitgliedschaften verzeichnet werden.
In der Zwischenzeit sind auch die ersten Baupläne erstellt worden. Die zuständigen Kantonsbehörden sind kontaktiert und das Projekt ist ihnen vorgestellt worden. Ebenfalls angelaufen ist das Sponsoring.
Das Projekt ist auf gutem Wege zu seiner Verwirklichung. Aber es bleibt viel zu tun und viele Arbeitsstunden und Überzeugungskraft sind noch nötig, bis die Natur ihr wertvolles Refugium allmählich beziehen und die Bevölkerung ein aufgewertetes Naherholungsgebiet besuchen kann.

Weitere Informationen:
Wangental Natur Pur, 8218 Osterfingen
Tel.: 052 682 27 90
info@wangental.ch
www.wangental.ch