Aus einer oft unter Wasser stehenden ertragsarmen
Wiese soll ein wertvolles Biotop werden. Zugleich wird die Hochwassersituation
unterhalb des Gebietes etwas entschärft und die Bevölkerung
erhält ein Naherholungsgebiet. Diese Ziele will der Verein Wangental
Natur Pur mit seinem Projekt «Biotop und Hochwasserschutz im hinteren
Wangental» im Schaff-hauser Klettgau erreichen.
Schon als Junge sei er auf dem durch das Hochwasser entstandenen See
hinter dem Ernsteldamm im Wangental herumgepaddelt und habe mit grosser
Freude Mäuse und Eidechsen vor dem Ertrinken gerettet. Sein Vater
habe damals oft von einem See im Wangental gesprochen und die Idee habe
ihn nie mehr ganz losgelassen. So beschreibt Adrian Stadelmann, der Präsident
des Vereins Wangental Natur Pur, den Ursprung dieses Projektes. Nun soll
dort ein ökologisch wertvolles Gebiet mit einem kleinen See entstehen.
Das Gelände soll der Bevölkerung zugänglich gemacht werden
und zugleich den Hochwasserschutz verbessern.
Geschichten zur Geschichte
Das Wangental befindet sich zwischen Osterfingen und Jestetten, im Schaffhauser
Klettgau. Es liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Osterfingen und zählt
zu den schönsten und interessantesten Gebieten im Kanton.
Gletscherzungen und Schmelzbäche formten das Tal nach der Würmeiszeit.
Die Römer bauten ein Bad und einen Gutshof, das Kloster Rheinau züchtete
Karpfen und Adelsleute bauten die Burg Radegg. Die Bevölkerung bekämpfte
das Hochwasser, Ingenieure planten eine Eisenbahnlinie und Politiker wollten
eine Autobahn. Geblieben sind geheimnisvolle Burgruinen, ein Gasthof,
ein Entwässerungstunnel und viele andere geschichtsträchtige
Raritäten. Geblieben ist aber auch ein oft von Hochwasser heimgesuchtes
Tal und ein nur extensiv nutzbares Stück Wiese hinter einem Damm.
Das Wangental wurde 1997 ins Bundesinventar der schützenswerten Landschaften
und Naturdenkmaler von nationaler Bedeutung BLN aufgenommen.
Heute präsentiert sich das Tal als etwas vergessenes Wald und Wiesland.
Eine Strasse mit grossem Pendelverkehrkehrsaufkommen führt von Osterfingen
nach Jestetten. Auf deutscher Talseite ist ein Naturschutzgebiet ausgegrenzt
und hinter dem Zoll, ebenfalls auf deutscher Seite befindet sich mit dem
Wüsten See ein wichtiges Laichgebiet für Amphibien.
Pufferzone im Hochwasserfall
Bereits heute stellt das Gelände im hinteren Wangental, oberhalb
des Ernsteldammes eine Art Pufferzone im Hochwasserfall dar. Nach starken
Niederschlägen stehen die Wiesen oft tagelang unter Wasser. Sie können
in diesem Bereich denn auch nur beschränkt genutzt werden und wer-fen
lediglich einen bescheidenen Ertrag ab. Andererseits handelt es sich aber
auch nicht um ein biologisch «wertvolles», das heisst von
seltener Fauna und Flora belebtes Gebiet. Die Schaffung eines Ausgleichsbeckens
und Biotops kann die Hochwassersituation im Wangental beträchtlich
verbessern. Die Doppelfunktion trägt den Anforderungen an einen sicheren
Hochwasserschutz, aber auch an eine zeitgemässe Lebensraumgestaltung
Rechnung.
Das sind die Ziele
Der Verein Wangental Natur Pur verfolgt mit dem Projekt Biotop und Hochwasserschutz
im Wangental verschiedene Ziele. Das hintere Wangental wird zu einem ökologisch
wertvollen Lebensraum für Tiere und Pflanzen aufgewertet werden.
Zugleich soll das vordere Wangental wirksam vor Überschwemmung geschützt
werden. Die Bevölkerung erhält ein attraktives Naherho-lungsgebiet,
und Beobachtungsposten (Hides) sowie Informationstafeln fördern das
Verständnis für die Vorgänge in der Natur und helfen Berührungsängste
abbauen.
Das Gelände oberhalb des Ernsteldammes wird in drei ökologisch
wertvolle Lebensbereiche, Feucht , Schwemm und Trockenzone aufgeteilt.
Die Feuchtzone soll über eine ständige Wasser-fläche verfügen.
Vor allem im Frühling bei viel Niederschlag wird auch die zweite
Zone, die Feucht-zone überflutet. Die dritte Zone liegt immer trocken,
bis auf Perioden besonders starker Niederschläge. Sie dient als Rückhaltebecken
im Hochwasserfall.
Die Aufteilung in drei Zonen bedingt verschiedene Erdarbeiten. So muss
die Humusschicht entfernt, die Wasserzone ausgehoben und Schuttgut eingebracht
werden. In Zonen eins und zwei ist keine Bepflanzung vorgesehen, sie gelten
als Pionierzonen. In der Zone drei bleibt die bestehende Humusschicht
erhalten.
Achtung Umleitung
Der Ernsteldamm sperrt den Talboden zwischen der Kantonsstrasse Nr. 71
im Norden und dem Grenzweg im Süden ab. Der Ernstelbach unterquert
von den nördlichen Seitenhangen kommend die Kantonsstrasse und fliesst
anschliessend auf einer Länge von ca. 40m Meter in der Dammkro-ne
nach Süden, bevor er hinter den Damm geleitet wird und sich wenige
Meter vor der Schleuse in den Seegraben ergiesst. Im Laufe der Zeit hat
er sich immer tiefer in die Dammkrone eingegraben und so den Damm geschwächt.
Das Projekt sieht vor, ihn aus diesem Bereich zu entfernen und hinter
den Damm an der ständigen Wasserfläche vorbei zur Schleuse zu
leiten.
Besuch erwünscht
Da das neue Feuchtgebiet öffentlich zugänglich gemacht werden
soll, sind die Besucherströme zu kanalisieren. Über einen Steg
gelangen die Besucher zu den Beobachtungshütten aus welchen sie die
Tierwelt beobachten können, ohne diese zu stören. Entlang des
Steges geben Tafeln Informationen zu verschiedenen Pflanzen und Zonen
des Feuchtgebietes.
Die neue Anlage liegt neben einem gefährlichen Streckenabschnitt
der Kantonsstrasse. Vom Deutschen Zoll führt die Strasse in einer
unübersichtlichen Kurve am Standort vorbei. Im Moment werden zwei
Varianten für den Zugang zum Gebiet geprüft. Die erste greift
auf einen bestehenden Parkplatz zurück, der jedoch nördlich
der Strasse liegt. Die Besucher müssten über eine Fussgängerbrücke
ins Gelände geleitet werden. Die Alternative dazu ist ein neuer Parkplatz
der wie das Biotop südlich der Strasse, an einer übersichtlicheren
Stelle zu liegen kommen würde.
Nachdem die ersten Abklärungen und Vorbereitungen zum Projekt im
«stillen Kämmerlein» vonstatten gingen, wurden im letzten
Sommer die Öffentlichkeit und die Medien über das Vorhaben informiert.
Im Januar dieses Jahres wurde der Trägerverein Wangental Natur Pur
gegründet. Das Echo in der Bevölkerung und den Medien war gross
und durchwegs positiv. Wie gut das Projekt von der Bevölkerung aufgenommen
worden ist, zeigt auch der Mitgliederbestand. Drei Monate nach der Gründung
können bereits über 60 Mitgliedschaften verzeichnet werden.
In der Zwischenzeit sind auch die ersten Baupläne erstellt worden.
Die zuständigen Kantonsbehörden sind kontaktiert und das Projekt
ihnen vorgestellt worden. Ebenfalls angelaufen ist das Sponsoring.
Das Projekt ist auf gutem Wege zu seiner Verwirklichung. Aber es bleibt
viel zu tun und viele Arbeitsstunden und Überzeugungskraft sind noch
nötig, bis die Natur ihr wertvolles Refugium allmählich beziehen
und die Bevölkerung ein aufgewertetes Naherholungsgebiet besuchen
kann.
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