Freitag 11. Januar 2002, Schaffhauser Nachrichten

Experten prüfen noch neue Wege am Hochrhein

Die Hochrheinautobahn soll nach Meinung der Fachleute von Waldshut über Bülach nach Winterthur geführt werden.
VON WALTER JOOS

Die Attraktivität eines Standortes hängt auch in Zukunft in hohem Masse von der Leistungsfähig-keit seiner Verkehrswege ab. Gleichzeitig ist die Bevölkerung jedoch aus nachvollziehbaren Grün-den immer weniger bereit, intakte Lebensräume der stetig wachsenden Mobilität zu opfern. Der Zielkonflikt zwischen Bewegungsfreiheit und Lebensqualität zwingt insbesondere die Verkehrsstra-tegen, einen vernünftigen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftli-chen Interessen zu suchen. Zu diesem Zweck müssen die früheren Zielvorstellungen, Randbedin-gungen und Prognosen im Sinne der neuen Kriterien der Nachhaltigkeit kritisch hinterfragt und - soweit notwendig - korrigiert werden. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat zu diesem Zweck bei der Festsetzung der Schwerpunkte für die laufende Legislaturperiode eine gründliche Überprü-fung der bisherigen Strategie für Hochleistungsstrassen angeordnet.

Mehrstufige Optimierung
Ein in der Zwischenzeit von der Baudirektion veröffentlichter Bericht zeigt in geraffter Form die bestehenden und in den nächsten Jahren zu erwartenden Schwachstellen im überregionalen Hochleistungs-Strassennetz auf. Gleichzeitig werden aufgrund eingehender Berechnungen, sorg-fältiger Bewertungen und eines mehrstufigen Optimierungsprozesses mögliche Ansätze zur Er-gänzung der heute vorhandenen Verkehrswege aufgezeigt. Zentrale Erkenntnis dieser Studien ist die Tatsache, dass grossräumige Umfahrungen der Stadt Zürich sowie der dicht genutzten Sied-lungsgebiete im mittleren Glatttal und in Winterthur das bestehende Netz zu wenig entlasten. Im Vordergrund stehen darum Kapazitätsanpassungen auf den bestehenden Achsen sowie die Er-stellung kompletter Umfahrungsringe mit einem vergleichsweise geringen Radius. Sie vermögen den Verkehrsfluss auf den Hochleistungsstrassen langfristig am besten zu garantieren.

Kein Knotenpunkt im Weinland
Zu den Konsequenzen dieser veränderten Strategie gehört das konsequente Abrücken von vier-spurigen Trassen durch ländliche Gebiete fernab der grossen Zentren. «Unter diesem Gesichts-punkt kommt zum Beispiel die Realisierung einer Hochrheinautobahn durch das Weinland auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht in Frage», erklärte Nikolaus Bischofberger, Verkehrsingenieur in der Abteilung Planung und Steuerung des Tiefbauamtes des Kantons Zürich, gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten». Aus seiner Sicht strebt der von Basel über Waldshut hinausfahrende Verkehr zum grössten Teil in Richtung Zürich und Winterthur. Aus diesem Grunde erachten die an der Limmat tätigen Strategen eine Linienführung von Waldshut in Richtung Glattfelden und Bülach als wesentlich sinnvoller als die von den deutschen Verkehrswegeplanern durch den Klettgau und das Wangental in Richtung Benken gezogene Linie. «Hier würde eine wertvolle Landschaft durch eine auch langfristig wenig frequentierte Strasse auf unnötige Weise beeinträchtigt», stellt Nikolaus Bischofberger fest. Aus seiner Sicht müsste die Hochrheinautobahn bei einer massiven Zunahme des Verkehrs auf der West-Ost-Achse in der Gegend von Kaiserstuhl über den Rhein geführt und an die bereits auf vier Spuren ausgebaute Strasse nördlich von Glattfelden angeschlossen wer-den. Zur Verknüpfung mit der bestehenden Flughafenautobahn müsste lediglich der vergleichs-weise kurze Abschnitt vom Kreisel bei Glattfelden durch den Bülacher Wald ausgebaut werden. Ob der Weg aus dem Zürcher Unterland in Richtung Winterthur zu einem noch nicht näher fixierten Zeitpunkt durch einen Tunnel unter dem Eschenberg nach Wülflingen führt oder ob die mögliche Verbindung zwischen Kloten und Brüttisellen den Vorzug erhält, ist im Moment noch offen. Auf-grund der Modellrechnungen müsste eigentlich die südlichere Variante den Vorzug erhalten. Sie würde jedoch durch ein bereits heute sehr dicht besiedeltes Gebiet führen. Die Verbindung zwi-schen Bülach und Winterthur ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Den entscheidenden Schritt im neuen Konzept des Kantons Zürich stellt die Weiterführung der Umfah-rung von Glattfelden zur deutschen Hochrheinautobahn dar. Falls diese Option auch auf der ande-ren Seite der Landesgrenze auf Zustimmung stösst, wäre die Gefahr einer A 98, die nördlich von Ellikon am Rhein oder gar - analog zum Autobahnende bei Bietingen - am Schlagbaum von Trasa-dingen endet, endlich vom Tisch.

Südliche Variante bei Waldshut
Bei der neuen Lösung hätte allerdings auch der Kanton Aargau ein Wörtchen mitzureden. Ein Brückenschlag bei Kaiserstuhl würde das Hoheitsgebiet der Rüebliländer zumindest tangieren. Aus der Sicht von Peter G. Schütz, Leiter der Sektion Verkehrsplanung im Baudepartement des Kantons Aargau, besteht im Moment kein Bedarf an einer Weiterführung der Hochrheinautobahn über den Raum von Waldshut und Tiengen hinaus. Nach der Eröffnung der Autobahn durch den Bözberg hat die Verkehrsbelastung zwischen Koblenz und Kaiserstuhl sogar abgenommen. Für Peter G. Schütz steht zudem im Zusammenhang mit der Hochrheinautobahn eine andere Frage im Vordergrund. Aufgrund der topografischen Verhältnisse käme die ursprünglich geplante nördliche Umfahrung von Waldshut die deutschen Behörden sehr teuer zu stehen. Sie haben sich darum bereits im vergangenen Jahr an ihre Nachbarn in der Schweiz gewandt, um die Möglichkeit einer Umfahrung von Waldshut auf der südlichen Seite des Rheins zu prüfen. Der Weg über das ebene Fuller Feld wäre trotz des notwendigen Brückenschlags wesentlich günstiger zu realisieren als die zum grössten Teil durch Tunnels verlaufende Variante am Fusse des Hotzenwaldes. Für Peter G. Schütz kommt eine Lösung via Full allerdings nur dann infrage, wenn sich auch für die Bewohner des Kantons Aargau konkrete Vorteile ergeben und die Kosten in vollem Umfang aus deutschen Kassen bezahlt werden.